Ihr habt schon immer nach Antworten zu euren Fragen über die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft gesucht? Ihr wolltet schon immer eine Verbindung zwischen dem Bekannten und dem Unbekannten aufbauen? Nun, wieso nutzt ihr nicht das Ouija-Brett? Das neue Spielzeug aus Pittsburgh wurde im Februar 1891 mit solchen Anzeigen beworben. Halt! Vorsichtig, spielt besser nicht damit, denn damit könnt ihr böse Geister und Dämonen beschworen. Nicht wahr? Ehrlich gesagt stimmt das nicht. Gehen wir noch ein wenig tiefer zurück in der Zeit und klären die Frage, woher das Ouija stammt? Glaubt mir, denn das ganze hier ist filmreif. Also schnappt euch einen Kaffee und begleitet mich auf eine Zeitreise in welcher der „American Dream“ noch umgesetzt werden konnte.
1848, ganze zwei Generationen vor der Werbeanzeige 1891, bekam der Spiritualismus, welcher in Europa schon Jahre zuvor herrschte, einen riesigen Anstieg. Der Grund dafür waren die Fox-Schwestern. Das Mädchenpaar, welches aus dem Bundesstaat New York stammte, wurde in kürzester Zeit bekannt, da sie behaupteten, ein Medium zu sein und mysteriöse „Klopfzeichen“, welche von der anderen Seite, also dem Jenseits kamen, deuten zu können. Diese Kunstnummer, ja, sie gaben später zu, dass dies eine Kunstnummer war, führten sie in verschiedenen Salons im ganzen Land vor. Die nationale Presse berichtete von diesem Wunder und es bildeten sich spiritistische Bewegungen im ganzen Land. Die Bewegung bot für viele Menschen Trost in einer dunklen Zeit, bei der die Lebenserwartung bei 50 Jahren lag. Das Verhältnis zum Tod war ein anderes, denn er gehörte schon fast zur Alltagserfahrung. Kinder starben früh an Krankheiten, Frauen meistens bei der Geburt des Kindes und die Männer im Krieg. Zu jener Zeit hatte Amerika gerade einen Bürgerkrieg hinter sich, deshalb war der Gedanke, dass man mit den verstorbenen im Jenseits kommunizieren konnte, für viele sehr bedeutungsvoll. Besonders für jene, die Verzweifelt nach einer Bindung oder die größere Bedeutung des eigenen Lebens suchten. Spiritualismus war sogar mit dem christlichen Dogma vereinbar. So sagte die Kirche selbst, dass man an einem Samstagabend ruhig eine Séance abhalten könne und Sonntagmorgen ohne Bedenken in die Kirche gehen kann. Séancen waren so beliebt, dass sogar Mary Todd Lincoln, die Frau des Präsidenten Abraham Lincoln, versuchte Kontakt mit ihrem verstorbenen Sohn aufzunehmen, welcher 1862 mit 11 Jahren an Fieber verstorben war. Somit war das Kommunizieren mit den Toten eher üblich und nicht komisch.
1886 erschienen Zeitungsberichte über „das Phänomen der ‚Sprechenden Tafeln‘ in Ohio“. Einer dieser Berichte stammte von der Associated Press. Charles Kennard, ein normaler Mann, welcher immer nach dem großen Geld Ausschau hielt, aber nie ein guter Geschäftsmann war, teilte sich mit dem preußischen Einwanderer namens E.C. Reiche einen Flur, in welchem beide ein Büro besaßen. Reiche war Bestatter, aber durch seine Erfahrung als Möbelbauer auch ein sehr guter Tüftler und Kennard hatte gerade eine Niederlage hinter sich, als er keinen Erfolg im Dünger Geschäft mit seiner eigenen Düngermischung erzielen konnte. Jener Zeitungsartikel brachte Kennard und Reiche auf eine Idee. Sie taten sich zusammen und stellten zur gleichen Zeit ein dutzend „Sprechende Tafeln“ her. Für Reiche war es ein Hobby, doch für Kennard war es mehr. Er machte sich im Jahr 1890 von Cherstown in Richtung Baltimore auf, wo er sein Glück als Düngemittelhersteller erneut probieren wollte. Auch hier stand ihm kein Erfolg in Aussicht und er wendete sich einem neuen Bereich zu. Das Immobiliengeschäft. Für jenes Geschäft traf er sich mit möglichen Investoren und jedes Mal stellte Kennard auch seine „Sprechende Tafel“ vor. Vier Investoren waren interessiert, darunter auch ein örtlicher Rechtsanwalt namens Elijah Bond und Oberst Washington Bowie. Nun, sie waren aber nicht an Immobilien interessiert, sondern an der „Sprechenden Tafel“. Sie gründeten die Kennard Novelty Company genau einen Tag vor Halloween und stellten ausschließlich die „Sprechenden Tafeln“ her. Kein der beteiligten war gläubig oder Spiritualist. Ihnen ging es nur ums schnelle Geld. Was den Tafeln allerdings fehlte, war ein Name. Um einen Namen für ein Produkt zu bekommen und zu schützen, muss es beim Patentamt angemeldet werden. Jetzt gab es aber ein Problem. Wie soll man beweisen, dass man mit der Tafel ins Jenseits kommunizieren kann?
Elijah Bond wusste, dass wenn sie keine Beweise vorlegen, sie das Patent niemals bekommen würden. Elijah dachte an seine Schwägerin, Helen Peters, die angeblich ein starkes Medium war. Er nahm seine Schwägerin mit zum Patentamt, da man dort eine Demonstration verlangte. Sollte die Tafel den Namen des Patentbeamten, welchen Bond und Peters nicht wissen sollten, richtig buchstabieren können, würde der Patentanmeldung zugestimmt werden. Laut der Legende kommunizierte Peters mit den Geistern und sie sagten den richtigen Namen voraus. Die Realität dürfte allerdings sein, dass Bond den Namen schon vorher wusste, denn Bond war Rechtsanwalt mit dem Spezialgebiet auf Patente. Was für ein Zufall. Sie konnten den Patentbeamten überzeugen und bekamen am 10. Februar 1891 das Patent. Bei genauerer Betrachtung kann man feststellen, dass im ersten Patent nicht erklärt wird, wie das Gerät funktioniert. Dort steht nur, dass es funktioniert. Dies war eine gewollte Marketingstrategie. Je weniger über die Tafel gesagt wird, desto mysteriöser ist es. Nun fehlt aber noch der bekannte Name. Bei einer Séance sagte die Geister zu Helen Peters: „Nenne es Ouija“. Ouija bedeutet so viel wie „Glück“. Nein, sorry. Diese Geschichte ist frei erfunden. Hier die Wahrheit: Peter trug ein Medaillon mit dem Bild einer Frau, über deren Kopf der Name „Ouija“ stand. Bei der Frau im Medaillon ist es sehr wohl möglich, dass es sich um die Autorin Ouida gehandelt habe und Peters den Namen als Ouija fehlinterpretierte. Tja, die wahre Geschichte klingt dann doch nicht mehr so gruselig, oder?
Der Erfolg des Ouija Bords sprach für sich selbst (Es wird später sogar den Umsatz des beliebten Brettspiel Monopoly übersteigen). In kürzester Zeit expandierte die Kennard Novelty Company von einer Fabrik in Baltimore zu mehreren Standorten auf der ganzen Welt. 2.000 Ouija Boards wurden pro Woche verkauft. Geld verändert die Menschen und so stiegen 1893 sowohl Kennard als auch Bond aus dem Projekt aus und zogen sich zu früh zurück. William Fuld übernahm von nun an die Leitung. Er war von Anfang an als Angestellter und Aktionär bei dem Unternehmen eingestiegen und machte seine Arbeit besonders gut. Er erwarb 1898 die Exklusivrechte für das Ouija Board und brachte durch seine Führung die Millionen herein, aber erst, nachdem er seinen Bruder Isaac Fuld aus dem Unternehmen ausgeschlossen hatte. Es folgten Rechtsstreitigkeiten und der Streit zwischen den Geschwistern ging so weit, dass Isaac seine tote Tochter exhumieren und von der Grabstätte der Familie Fulda umbetten ließ. Das Ouija Board sprach so ziemlich alle Menschen aus jedem Spektrum an. Egal welches Alter, egal welche Sozialklasse und egal welche Bildungsschicht. Jeder wollte es ausprobieren mit dem Jenseits Kontakt aufzunehmen. Die Zeiten des Ersten Weltkriegs, der Finanzkrise und der Prohibition brachten den populären Schub für das Ouija Board. Der Illustrator Norman Rockwell, malte für die Titelseite der Saturday Evening Post im Jahr 1920 sogar ein Paar, welches mit dem Ouija Board spielt. Das Glück war aber auch nicht auf Williams Seite. 1927 stürzte William vom Dach seines Fabrikgebäudes. Er wollte die Installation einer Fahne überwachen, als das Geländer hinter ihm nachgab und er in die Tiefe stürzte. Er starb später im Sterbebett an seiner Verletzung, weil eine Rippe sein Herz durchbohrte. Doch vorher bat er seine Kinder, dass sie die Rechte an „Ouija“ niemals verkaufen sollen.
Wie wir bisher festgestellt haben, lebt die Entstehungsgeschichte der Ouija Boards von Drama und so war es nicht verwunderlich, dass die Familie Fuld nach vier Jahrzehnten, 1967, die Rechte des Ouija Boards an die Firma Parker Brothers, welche aus Salem, Massachusetts stammt, verkaufte. Parker verkaufte das „Brettspiel“ im ersten Jahr allein über 2 Millionen Mal. Dies gelang dem berühmten Brettspiel Monopoly erst über 20 Jahre nach der Entstehung. Der Summer Of Love, der Beginn des Vietnamkrieges und die Ethnie-Unruhen in den USA werden dafür sorgen, dass das Ouija Board weiterhin ein beliebter Dauerbrenner aus dem Spielzeugladen bleiben wird.
Tja, es war wieder mal ein Film, der dieses berühmte Brettspiel ein Stigma anheften wird, an welches noch die Menschen heute glauben. 1973 veröffentlichte Warner Brothers den William Friedkin Film THE EXORCIST. In dem Film wird die junge Schauspielerin Linda Blair, welche das 12-jährige Mädchen Regan verkörpert, von dem Dämon Pazuzu besessen, nachdem sie aus Versehen mit einem Ouija Board gespielt hat und den Dämon, welcher sich als Captain Howdy vorstellt, in ihre Welt ruft. Dieser Dämon ergreift, wie soll es auch anders sein, besitzt von ihr. Nun, weil die Macher genauso gut im Bereich Marketing waren, wie damals Bond und Kennard, sagten sie, dass der Film auf einer wahren Begebenheit basiere. Dies stimmt nicht, jedoch war es jetzt schon zu spät. Der Schaden war angerichtet und das Böse nahm seinen Lauf. Das Ouija Board wurde nach THE EXORCIST in über 20 weiteren Horrorfilme eingesetzt, denn schließlich ließen sich damit ja die bösen Dämonen beschwören. Egal ob Horrorliteratur, Horror TV-Shows oder Horror Spielzeug, das Ouija Board war immer dabei. 2014 folgte sogar ein eigener Film namens Ouija, welcher auch eine Fortsetzung mit sich brachte. Faszinierend, oder? Ähnlich wie bei Tarot wurde hier alles für den Teufel uminterpretiert. Hollywood hat es einfach drauf. Das Brettspiel, welches für die ganze Familie gedacht war, wurde soeben fest im Horrorsektor verankert. Erinnert ihr euch noch, dass die Kirche den Einsatz von Ouija Boards für einen Samstagabend völlig in Ordnung fand. Nun, nachdem THE EXORCIST im Kino anlief und die Menschen an die übernatürliche Geschichte geglaubt hatten, was den Verkauf der Ouija Boards ankurbelte, gab es Petitionen von evangelikalem christlichem Gruppen, die ein Verbot von Ouija forderten. Denn Ouija ist „alles andere als harmlos.“ Scheinbar hatte der Film den gleichen Effekt, wie Hitchcocks PSYCHO für „Duschen“. Als 1951 in der TV-Serie I LOVE LUCY ein Ouija Board zum Einsatz kam, gab es keinen Aufschrei. Schließlich haben die auch keinen Dämonen gerufen. THE EXORCIST hat die Popkultur verändert und über Nacht das harmlose Spielzeug, welches die Fantasie vieler Menschen anregte, aber tatsächlich nichts bewirkte, zu einem Werkzeug des Teufels gemacht.
Das Ouija Board war jetzt ein fester Bestandteil für Teufelsanbeter und Okkultisten, die alle behaupteten, dadurch einen Geist gerufen zu haben. Selbstverständlich haben sie das, und an Weihnachten haben sie Kakao mit Santa Claus getrunken und an Ostern mit einem riesigeren Hasen die Eier verteilt. Aber gerade diese kuriosen und erfundenen Geschichten sorgten dafür, dass sogar der neue Inhaber, Hasbro, welcher 1991 Parker Brothers übernommen hatte, noch immer Gewinn, mit diesem Brettspiel machte. Und sogar heute noch tut. Die Gläubigen ließen aber nicht nach und sorgten 2001 in Alamogordo, New Mexico für Aufsehen, als sie das von Satan bevorzugte Medium öffentlich verbrannten, neben Schneewittchen und Harry Potter. Teuflische Popkultur sage ich nur. Inzwischen im Jahr 2024 ist der Hype so groß´, dass es Klamotten, Deko und sogar Badeartikel mit dem beliebten Ouija Board gibt. Breaking Bad, Stranger Things und andere Vertreter der aktuellen Popkultur tun ihr übliches für die Vermarktung.
Doch eine Frage haben wir hier gar nicht beantwortet. Wie haben die Menschen mit dem Jenseits bzw. mit den Dämonen kommunizieren können? Es sind doch die Geister, welche die Planchette über das Brett auf die Buchstaben bewegen, nicht wahr? Natürlich nicht. Ouija Boards funktionieren nach einem einzigen Prinzip. Dem Ideometer-Effekt. Jener Effekt wurde 1852 von dem Arzt und Physiologen William Benjamin Carpenter in einem Bericht für die Royal Institution of Great Britain veröffentlicht. Carpenter untersuchte die automatischen Muskelbewegungen, die ohne den bewussten Willen des Menschen ablaufen. Zu diesen unbewussten Willen zählt zum Beispiel das Weinen, welches eine Reaktion auf einen schönen oder traurigen Film sein kann. Somit kann das Unterbewusstsein motorische Aktivitäten steuern. Man kam zu dem Entschluss, dass der Ideometer-Effekt gerade bei spirituellen Beschäftigungen zum Einsatz kam. 1853 fand der Chemiker und Physiker Michael Faraday heraus, dass das „Tische drehen“, genau darauf zurückzuführen ist. Die Teilnehmer, die ihren Finger auf dem Tisch haben, sorgen unterbewusst dafür, dass der Tisch sich langsam bewegt, da sie diesen mit ihrem Unterbewusstsein selbst bewegen. Ouija Board funktionieren nach dem gleichen Prinzip der unbewussten Bewegung. Kleine Muskelbewegungen haben eine große Auswirkung. Die Planchette bei einem Ouija Board ist dafür perfekt geeignet. Eine Gruppe von Menschen legt den Zeigefinger auf die Planchette und jeder Teilnehmer hat somit einen leichten Einfluss. Die Personen glauben, dass sie nicht der oder diejenige sind, die die Planchette bewegen, aber tatsächlich tun sie genau das. Aber durch das falsche Einreden, glauben sie, dass es etwas Übernatürliches sein muss. Schließlich muss das Brett mystisch bzw. magisch sein.
Was lernen wir daraus?
Wenn eine Idee erst einmal implantiert ist, gibt es kein zurück mehr. Was heute gut ist, kann morgen schon böse sein. Du musst nur daran glauben. Zum glück haben die Spielzeughersteller auch an etwas geglaubt. Nämlich an das schnelle Geld. Kapitalismus oder in anderen Worten – The American Dream. Ein brillanter Schachzug und eine geniale Marketingstrategie, machte aus etwas völlig Sinnlosen einen Kult, der über 100 Jahre später noch anhält. Sowas hat man in der Geschichte der Menschheit selten erlebt und wenn ihr mich fragt, ist die ganze Geschichte eine Verfilmung wert. Und ich bin sehr dankbar für THE EXORCIST. Nicht nur, dass er die Historie des Ouija Boards erweitert hat (heute würde man von einem DLC sprechen, den man downloaden muss), sondern er zeigte auch, dass die Religion sich wieder einmal zum Affen machte. Denkt immer daran – Wissen ist macht und die Historie beweist, dass wenn man richtig nachforscht, alles einen Ursprung hat und somit der Glaube (auch Aber- und Irrglaube) beiseitegelegt werden kann.
THE VEGAN SATANIST.