Die Geschichte des Tarot

Wir alle kennen das typische Bild eines Jahrmarkts, bei dem in einem kleinen Zirkuszelt die Zukunft von einer Wahrsagerin in Form von Tarotkarten vorgelesen wird. Doch tatsächlich ist das ein Bild, welches von Hollywood und Schauerromanen in die Welt gesetzt wurde. Tarot diente nie dafür, war in seiner Entstehung kein Mittel, welches von Hexen genutzt wurde und hat mit der Vorhersage des Todes oder dem Treffen des Teufels rein gar nichts zu tun.

Was bewirkt also Tarot und wofür dient es dann? Das Legen der Karten bietet uns eine neue Art und Weise der Selbstreflexion bzw. die Situationen, in denen wir uns befinden, zu sehen und wie wir uns darin zurechtfinden. Es kann manch einem Menschen helfen die Gedanken und Gefühle einzuordnen und mögliche zukünftige Entscheidungen und deren Konsequenzen schon vorher in Betracht zu ziehen. Somit kann man Tarot eher als einen Spirituellen Wegweiser sehen und verstehen. Es hilft einem die Zukunft besser zu verstehen, aber es sagt dir nicht die feste Zukunft voraus. Bei Tarot kommt vor allem noch hinzu, dass die Wahrnehmung und Lesung immer subjektiv ist und von zwei Faktoren abhängt. Der Interpretation des Lesers, welcher die Karten legt und der Offenheit, des Fragestellers für die eigene Reflexion und die daraus folgende Selbsterkenntnis.

Klingt doch schonmal nicht so, wie wir es immer in Geschichten sehen, lesen oder hören, oder?  Doch lasst uns gemeinsam einen genauen Blick auf die Herkunft von Tarot werfen.

Wie so oft, hat alles seinen Ursprung im Mittelalter. Im 14. Jahrhundert kamen aus der islamischen Welt Kartenspiele nach Europa. Dabei unterschieden sich die Spielkarten nicht von modernen, welche wir noch heute kennen. Es waren ebenfalls vier Sätze mit Zahlenkarten, was man noch heute mit Herz, Piek, Karo und Kreuz kennt.

Doch im 15. Jahrhundert änderte sich dies laut der Legende, als Marziano da Tortona, der Privatsekretär von Herzog Filippo Maria Visconti, eine neuen Satz Symbolkarten zu den normalen Karten hinzufügte. Er verfasste ebenfalls ein Begleitbuch zu den neuen Karten im Jahre 1418, welches auch heute noch erhalten geblieben ist. Diese Symbolkarten entsprechen aber nicht den Motiven, geschweige denn der Reihenfolge, welche wir heute von den Standard-Tarots kennen. Es handelte sich dabei um 16 antike Gottheiten, welche die Tugenden und Laster von uns Menschen darstellen sollten. Da die Embleme dieser neuen Symbolkarten wie die Prunkwagen auf dem Korso, bei den Umzügen der italienischen Renaissance, welche den die Bezeichnung Trionfi oder Triumphi trugen, aneinandergereiht waren, entwickelte sich der Begriff Trionfikarten. Moderne Tarot Leser bezeichnen sie nun als „Trumpfkarten.“

Im Jahre 1450 verständigten sich die Kartenspieler aus Mailand auf 22 Trumpfkarten und eben jene sind die erkennbaren Vorläufer es modernen Tarot Decks. Somit wurde das Deck auch in zwei Einheiten eingeteilt, sogenannte Arkana. Dieses Wort stammt von Arcanum, welches aus dem lateinischen kommt und „Geheimnis“ heißt. Es leitet sich ebenfalls von arca ab, was Kiste bedeutet und hier zutrifft, denn der Inhalt einer Kiste ist nicht sichtbar und somit geheim. Das große Arkana, welches die 22 Trumpfkarten repräsentiert und das kleine Arkana, welches aus 56 Farbkarten besteht und 10 Zahlen und 4 Bildkarten in jeweils vier Farben unterteilt. Der Grundsatz für die 78 Spielkarten war nun gelegt.

Dieser in Mailand gefertigte Kartensatz gelangte durch Kaufleute nach Marseille, wo die bedeutendste Manufaktur für Tarotkarten entstanden ist. Das als „Marseille-Tarot“ bekannte Deck stammt aus dem Jahre 1760 und stammt aus der Kartenmanufaktur von Nicolas Conver. Die Bilder basierten auf Holzstiche und sie waren nur mit 4 Farben, nämlich blau, rot, grün und gelb coloriert. Tarot verbreitet sich rasend schnell in Frankreich, der Schweiz und Norditalien. Das Kartenspiel war so populär wie Poker in der heutigen Zeit.

Kaum hatte sich das Spiel in Frankreich etabliert, fiel es auch schon dem ersten Schwindel zum Opfer. So behauptete der Autor Antoine Court de Gébelin im Jahre 1781, dass das Spielkartendeck Tarot, das letzte überlieferte Buch altägyptischer Weisheit sei. Zudem wäre es das einzige gewesen, was erhalten geblieben ist. Damit nicht genug, erfand er auch die Bedeutung für das Wort Tarot. Es entstand aus zwei Wörter, nämlich tar, was angeblich „Weg“ bedeutet und rog oder rosh, was für „königlich“ steht. Somit wäre Tarot nichts anderes als „der königliche Weg“. Fast 40 Jahre später, im Jahr 1822, stellte man fest, dass es das Wort Tarot im ägyptischen nicht gibt und das dort auch niemand dieses Kartenspiel gespielt hat. Es war eine reine Erfindung des Autors. Dennoch befand sich diese falsche Behauptung stets im Umlauf und wurde später von Crowley erneut aufgegriffen.

Doch scheint diese Sage auch ein Ansporn für manch einen gewesen zu sein, sich intensiver mit den Karten zu beschäftigen. Dies tat 2 Jahre später, im Jahr 1783 der zur Pariser Arbeiterklasse angehörige Jean-Baptiste Alliette. Er war mit einem alten Italiener befreundet und jener alte Mann brachte Jean-Baptiste bei, mithilfe der Spielkarten wahrzusagen. Alliette verstand das System und nutze dies um als Wahrsager Karriere zu machen. Dabei drehte er seinen Nachnamen um und wurde als Etteilla dem ungewöhnlichen Wahrsager bekannt. Er brachte 1783 den ersten von vier Teilen seines Meisterwerks „Manière de se récréer ave un jeu de cartes nommées tarots“ (Wie man sich mit dem Tarot genannten Spielkarten zerstreut) heraus, wo er auf die pseudo-ägyptische Lehre von Gébelin bezog. Seine Studien über das Thema Tarot weckte großes Interesse und im Jahr 1788 gründete er die Organisation „Societé des Interprètes du Livre de Thoth“ (Gesellschaft der Deuter des Buches von Thoth), mit der er seine Methoden der Tarot-Wahrsagekarten lehrte. 3 Jahre später starb er und seine Schule verschwand während der Unruhen der Französischen Revolution. Dies war also der Beginn, dass man das Wahrsagen mit Tarot in Verbindung brachte und den Karten vermehrt esoterische Bedeutungen zuordnete.

Nun machen wir zeitlich einen großen Sprung. Die Amerikanerin Pamela Colman Smith war eine begnadete Künstlerin mit einem riesigen Interesse am Okkultismus. Sie schloss sich dem Hermetischen Orden der Goldenen Morgenröte an und lernte dort Edward Waite kennen, welcher einen Künstler für sein innovatives neues Tarot Deck suchte. Als der Orden im Jahr 1909 zerfiel, gründete Waite eine neue Organisation und begann mit Smith seine Idee umzusetzen. Er steuerte den symbolischen Inhalt bei und sie führte alle künstlerischen Elemente aus. Wie bereits erwähnt, haben sich im 15. Jahrhundert viele Menschen daran gemacht, ihr eigenes Tarot Deck zu kreieren und Waite stieß auf eines, welche sich „Sola-Busca-Tarot“ nannte. Dort waren die Zahlenkarten der vier Sätze enthalten, als auch die 22 Trumpfkarten, welche ihre jeweils eigene symbolische Darstellung besaßen. Mit seinem neuen Deck übernahm er den gleichen Ansatz, jedoch nutze Waite seine neuen Kenntnisse über magische Symbole, sowie die Tarot Lehre des Hermetischen Ordens der Goldenen Morgenröte, um für jede einzelne Karte nun ein einprägsames Motiv zu schaffen. Die Zeichnungen von Smith hatten einen Stil, welcher unverwechselbar ist und sich eng an den Symbolismus anlehnte. Es dauerte 1 Jahr und im Jahr 1910 erschien das erste „Rider-Waite Tarotdeck“ und der Firma Rider & Co. Das „Rider-Waite Tarotdeck“ entwickelte sich zum erfolgreichsten Deck des 20. Jahrhunderts und noch heute ist es das meistverkaufte Deck. Interessanterweise änderten Waite und Smith die Reihenfolge der Karten bei ihrem Deck. Die Gerechtigkeit (ursprünglich die Nr. 8) und Die Kraft (ursprünglich die Nr. 11) wurden vertauscht. Leider lohnte es sich nur für eine Person, nämlich Edward Waite. Smith verlor schon während der Entstehung der Karten das Interesse am Okkultismus und wandte sich direkt danach zum Katholizismus hin. Sie konnte von ihrer Kunst nicht leben und verstarb in Armut im Jahre 1951.

Doch wieso bezichtigt man Tarot mit Hexerei und Satanismus? Nun, das ist dem Schwarzmagier Aleister Crowley geschuldet. Zusammen mit Lady Frieda Harris erschufen die beiden in den 1940er Jahren das Thoth-Tarot, welches die angeblichen ägyptischen Versionen der Tarotkarten zeigte von denen Antoine Court de Gébelin sprach. Zu jenem Zeitpunkt war aber schon bekannt, dass die Karten nichts mit Ägypten zu tun haben, jedoch wollte Crowley scheinbar auf diesem Mythos weiter aufbauen. Zunächst konnte man die Karten nur in Buchillustrationen seines Buches „Book of Thoth“ aus dem Jahr 1944 sehen. Erst 25 Jahre später erschien das „Crowley Thoth Tarot“ tatsächlich als Kartendeck. Da Crowley einen wilden Ruf als Teufelsanbeter und Schwarzmagier hatte, verband man nun automatisch Tarot mit genau diesen Dingen. Hollywood sprang ebenfalls auf den Zug auf und zeigte nun immer Hexen, die anhand der Karten das böse vorhersehen konnten. Egal ob bei dem Horrorfilm FRIGHTMARE von Pete Walker, dem Agentenstreifen LIVE AND LET DIE von James Bond oder Eva Green in der Serie PENNY DREADFUL oder im Klassiker DR TERROR’S HOUSE OF HORROR mit den Horrorlegenden Peter Cushing und Christopher Lee, sie alle bekommen es in gewisser Weise mit dem Übernatürlichen zu tun, sobald die Karten auftauchen.  Also wurden die tatsächliche Herkunft und Bedeutung von Tarot aus dem Kontext gerissen und im Jahr 2024 dürfen wir wieder einmal alle davon Zeuge werden, wenn der Horrorfilm TAROT ab Mai in den Kinos zu sehen sein wird.

Wer sich ebenfalls den Spaß macht und mal nach aktuellen Tarot Sets schaut, wird mit vielen lustigen Varianten überrascht, die nur der Vermarktung dienen und mit Tarot wirklich nichts am Hut haben. Hauptsache damit die Bedürfnisse von modernen Horrorkindern gedeckt ist und das Geld weiter fließen kann. Ich empfehle das „Occult Tarot“, welches definitiv ein Partykracher ist. Es funktioniert wie das normale Tarot, nur wenn man die Karten falsch legt oder falsch zusammenpackt, kann man einen bösen Dämon heraufbeschwören, der einem das Leben zur Hölle macht. Wer daran glaubt, den kann ich auch nicht mehr helfen.

THE VEGAN SATANIST