Stellt euch vor, ihr seid kreativ begabt, erschafft etwas, was noch nie zuvor dagewesen ist und einen Riesenkult auslöst, und am Ende werdet ihr für diese Arbeit nicht mal anerkannt. Dies hier ist so eine traurige Geschichte, und deshalb ist es umso wichtiger, dass wir den Namen Milicent Patrick niemals vergessen und ihr nach all den schlimmen Jahrzehnten die Aufmerksamkeit und Ehre schenken, die sie verdient hat.
Also schnappt euch einen Kaffee und fangen wir ganz vorne an.
Am 11. November 1915 erblickte die kleine Mildred Elizabeth Fulvia di Rossi das Licht der Welt in El Paso, Texas als zweites von drei Kindern. Ihr Vater arbeitet als Bauleiter unter Julia Morgan, ebenfalls eine wichtige historische Dame, da sie die erste zugelassene Architektin im Staat Kalifornien war bei Hearst Castle. Mit 6 Jahren zog ihre Familie auf das Grundstück des Hearst Castle Verlegers William Randolph Hearst nach Kalifornien. Dort lernte die kleine Mildred die Ehefrau von Mr. Hearst kennen, Milicent Hearst. Sie erinnerte sich noch, dass sie dort das Leben der High Society mitbekam. Verschwenderische Hollywood Partys, Löwen als Haustiere, jede Menge Swimmingpools und eigene Konditoren gehörten zum täglichen Leben dort dazu. Doch es ist nicht alles Gold, was glänzt. Als ein Streit zwischen Julia Morgan und ihrem Vater Camille Charles Rossi bezüglich der umstrittenen Arbeitsbeziehung ausbrach, brachte Morgan William Hearst dazu, Rossi aus dem Bauprojekt zu entfernen und die ganze Familie vom Gelände der Hearst zu vertreiben.
Die Familie zog also 1932 nach Glendale Kaliforniern und Mildred besuchte das Glendale Junior College. Dort fand sie ihr Interesse für Kunst, doch sie verließ die Schule im Jahr 1935 ohne einen Abschluss. Trotzdem gab sie nicht auf und bekam aufgrund ihres Talentes drei Stipendien und studierte drei Jahre lang am Chouniard Art Institute, wo sie sich auf Zeichnen und Illustration spezialisierte. Ihre Arbeit machte sich bezahlt und 1939 kam sie zu Disney. Ursprünglich sollte sie im Frauen Gebäude (ja damals waren die Arbeit von Mann und Frau geteilt) für die Abteilung Farbe und Tusche zuständig sein, aber ihr Talent war so gut, dass man sie in die Animationsabteilung versetzte, wo sie eine der ersten weiblichen Animatoren wurde. Dort kreierte sie auch eine historische Figur, die so tief mit Disney verbunden ist, dass noch heutige Monsterkids davon beeindruckt sind. Den Dämon Cheranbog aus dem berühmten „Night on Blad Mountain“ Segment von Disneys FANTASIA von 1940. Ihre Karriere bekam einen Aufschwung und so durfte sie 1941 auch an DUMBO mitarbeiten.
Doch das Jahr 1941 brachte wieder eine dunkle Phase in ihr Leben. Mehrere Disney-Animatoren streikten, weil sie einen höheren Lohn und bessere Arbeitsbedingungen sowie eine höhere Anerkennung verlangten. Ähnlich wie es letztes Jahr der Fall mit den Autoren in Hollywood war. Tatsächlich kam es am 21. September 1941 zu einer Einigung, doch Mildred bekam davon nichts mehr mit, denn sie verließ Disney am 12. September, weil sie immer öfter unter schweren Migräne Attacken und Kopfschmerzen litt. Was sie aber weiterführte, war eine Affäre mit dem Disney-Animator Paul Fitzpatrick. Auch hier bekommt ihre Lebensgeschichte eine düstere Note. Paul Fitzpatrick war verheiratet und erwartete ein Kind. Als seine Frau von der Affäre erfuhr, nahm sie sich und dem ungeborenen Kind das Leben. Trotz dieser schrecklichen Situation heirateten einige Jahre später Paul und Mildred im Jahr 1945, doch die Ehe hielt nicht lang. Mildred nahm während der Ehe den Namen Mil Patrick an und änderte diesen nach der Trennung in Milicent Patrick (William Hearts Frau diente hier als Namenspatronin).
Milicent versuchte nun eigenständig in Hollywood Fuß zu fassen und traf bei einer Party den Bruder des berühmten Regisseur Howard Hawks, nämlich den Produzenten William Hawks. Dieser war so begeistert von ihrem Aussehen, dass er eine Talentagentur kontaktierte, die sie unter Vertrag nahm. Hier und da bekam sie inzwischen kleinere Auftritte, aber nie etwas Großes. Privat führte sie eine Beziehung mit dem Synchronsprecher Frank Graham, aber als sie sich von ihm trennte, nahm er sich mit 35 Jahren das Leben. Die Polizei fand seine Leiche mit einem Bild von Milicent in der Hand und einer Notiz, die an sie gerichtet war.
Milicent wollte ihrer Bestimmung wieder nachkommen und suchte ein Job, bei dem sie wieder kreativ arbeiten konnte. Und den fand sie, als sie in den Universal Studios von Bud Westmore für die Make-up-Abteilung eingestellt wurde. Zu ihren Werken zählen IT CAME FROM OUTER SPACE (1953), ABBOTT AND COSTELLO MEET DR JEKYLL AND MR HYDE (1953), THIS ISLAND EARTH (1955) und die Masken für THE MOLE PEOPLE (1956).
Doch Geschichte schrieb sie, als das Design für eines der berühmtesten Filmmonster aller Zeiten umänderte und es sich in unsere Köpfe für immer eingebrannt hat. Den Gill Man von Jack Arnolds Klassiker THE CREATURE FROM THE BLACK LAGOON. Denn im Ursprung war das Monster als eine Kreatur entworfen worden, die einen Kegelkopf hatte und Knollen Augen. Es sah eher wie ein Monster aus dem Weltall aus und nicht wie ein Fischmensch. Milicent überarbeitet das Design und machte die Kreatur menschlicher. Es mag komisch klingen, aber sie verpasste der Figur ein Sexappeal, wodurch eine Faszination für das Monster entstand. Der Erfolg des Filmes mit dem Monster war zum größten Teil ihr zu verdanken. Das Studio entschied Milicent auf eine Werbetour zu schicken unter dem Titel THE BEAUTY WHO CREATED THE BEAST. Doch ihrem Arbeitgeber Bud Westmore gefiel dies ganz und gar nicht. Schließlich war er die Legende und da er genauso bekannt werden wollte, wie eines seiner Vorbilder Jack Pearce, welcher das Make-up für THE MUMMY und FRANKENSTEIN erschaffen hat, verursachte er für einer der größten Schandtaten der Geschichte. Er ließ die Tour umbenennen in THE BEAUTY WHO LIVED WITH THE BEAST und sorgte dafür, dass die keine Anerkennung für das Design der Kreatur bekam. Natürlich sagte er, es wäre seine Arbeit gewesen, eine Methode, die damals gerne angewendet wurde. Obwohl viele Künstler an einem Kostüm oder Monster arbeitete, war es immer der Leiter, der sich nannte und meistens noch mit den Kostümen oder Werken posierte, obwohl dieser so gut wie nichts dazu beigetragen hat. Selbst im Abspann wurden die anderen Künstler nicht genannt. So auch bei THE CREATURE FROM THE BLACK LAGOON. Milicents Name sowie die der beiden Bildhauer Chris Mueller Jr. Und Jack Kevan, die an dem Design für den Gill Man mitarbeiteten, werden mit keinem Wort erwähnt.
Westmore, ein Mann, der von seinem Ego nun gekränkt war und es nicht leiden konnte, dass eine Frau ihm die Show gestohlen hat, sorgte dafür, dass Milicent bei Universal gefeuert wurde.
Milicent versuchte nach der Kündigung noch hier und dort kleine Rollen zu spielen, zog sich aber aufgrund des geringen Erfolges komplett aus dem ganzen Hollywood System zurück, da es ihr nichts als Leid und Schmerz brachte. So war auch ihr Beziehungsleben ein ständiges Auf und Ab. Sie heiratete noch einmal den Synchronsprecher Patrick Lee Trent, aber die Ehe hielt keine 6 Jahre.
Das Licht der Aufmerksamkeit bekam Milicent in den 1970er Jahren, als der Herausgeber des berühmten Magazins FAMOUS MONSTERS OF FILMLAND Forrest J. Ackerman sie in einem achtseitigen Artikel über die Erschaffung der Kreatur würdigte. So blieb sie unter den Anhängern des Magazins, den „Monsterkids“ für immer in Erinnerung und ihr Erbe lebte von nun an auf.
Jedoch endete Milicents Leben genauso tragisch, wie es ihr während ihrer Zeit in Hollywood erging. Sie erkrankte 1988 an Parkinson und später an Brustkrebs. Im Jahr 1998 verstarb sie am 24. Februar in einem kalifornischen Hospiz in Roseville.
THE VEGAN SATANIST