Der Totengräber – Baron Samedi

Der Totengräber – Baron Samedi

Wenn man wie ich in den frühen 90er Jahren seine Kindheit hatte, gab es ein Phänomen, welches neben Turtlemania die ganze Welt im Atem hielt. WWF – damit ist nicht die Umweltschutzorganisation gemeint, sondern die damalige World Wrestling Federation. Egal, ob Hulk Hogan, Heartbreak Kid oder Undertaker, nach dem Disney Club am Samstag durften die Kämpfe nicht verpasst werden. Einer der Figuren, die mich sowohl ängstigte als auch faszinierte, war Papa Shango. Der Zylinder, das Skelettgesicht und der Voodoo Zauber, sprachen mein junges Horror-Ich direkt an. Doch dann entdeckte ich dieses Skelett Gesicht ganz oft in Comics, Büchern und Filmen. Und jedes Mal war es im Zusammenhang mit Voodoo. Daher stellte sich mir die Frage: Worauf beziehen die sich? Doch um diese besser verstehen zu können, müssen wir uns erst einmal anschauen, was Voodoo ist, denn auch diese Religion, wird genauso wie Satanismus gerne falsch dargestellt. Voodoo ist nicht böse und dort wird nicht nur schwarze Magie praktiziert und in kleine Puppen mit einer Nadel gestochen. Also schnappt euch einen Kaffee und entdeckt mit mir zusammen,
die Geschichte der bekanntesten Figur der Loa, also der Geister aus der afrikanischen Diaspora-Religion des haitianischen Voodoo, Baron Samedi.

Voodoo welches eigentlich Vodou geschrieben wird ist eine monotheistische Religion, welche in Haiti und New Orleans seine Verbreitung fand. Vodou ist eine Mischung verschiedener Religion, wodurch katholische und afrikanische Glaubensvorstellungen in einzigartigen Ritualen vereint werden. Somit ist es nicht verwunderlich, dass auch im Voodoo an einen höchsten Gott geglaubt wird, dem Bondye. Da Götter nie greifbar sind, was man ja aus der katholischen Glaubensvorstellung kennt, sind es natürlich auch Bondyes nicht. Ihre Existenz liegt außerhalb des menschlichen Verstandes – ist doch klar, oder? Deshalb können diese auch nicht ins menschliche Geschehen, also deren Angelegenheiten und Problematiken eingreifen. Eine Erklärung, die jedem Skeptiker zufrieden stellt.

Diese Aufgabe wird den Loa (Die Schreibweise Lwa ist auch korrekt) zugeschrieben. Loa’s sind ähnlich wie Engel, nur mit dem Unterschied, dass sie individuell sind und eigene Persönlichkeiten besitzen. Jeder Loa ist für einen bestimmten Aspekt des Lebens zuständig. Loa sind für Voodoo Anhänger sehr wichtig, denn sie sind die Vermittler zwischen den normalen Menschen und den Bondye. Die Menschen, also die Lebenden, führen eine intensive, anspruchsvolle und auch enge Beziehung zu den Loa. Diese werden geliebt, gefürchtet und respektiert. Dieser Respekt erfordert, dass die Voodoo Anhänger immer die Vorsilbe Papa (Vater), Manman (Mutter oder Metres (Geliebte) verwenden, wenn sie sich auf einen Loa beziehen und diesen kontaktieren. Für diese Unterwürfigkeit,
der passionierten Hingabe und Frömmigkeit, erwarten die Anhänger aber auch eine Gegenleistung, nämlich den Segen sowie den Schutz der Loa. Hier wird die Vermischung der verschiedenen Glaubensrichtungen also sehr deutlich. Glaube an den Gott und sein Schutzengel wird dir helfen. Doch wie treten die Lebenden mit den Loa in Kontakt?
Dies kann durch Opfergaben oder persönlichen Altären geschehen, die bestimmten Loa gewidmet sind, oder durch eine aufwendige Zeremonie mit Tanz, Musik und der zur Fügung stellen des Körpers, also der Geisterbesessenheit. Das kennen wir aus Horrorfilmen,
nicht wahr? Opfergaben, sind aber keine Menschenopfer wie wir gleich bei Baron Samedi feststellen werden. Da hat Hollywood erneut ein falsches Bild erschaffen, denn schließlich ist ja alles, was „anders“ ist immer schwarze Magie.

Kommen wir zurück zu den Loa. Diese sind nicht nur wie Engel, sondern haben auch wie bei Game Of Thrones eigene Dynastien. Genaugenommen gibt es drei Familien, nämlich Rada, Petro und Ghede. Wir werden zu einem späteren Zeitpunkt hier alle Familien genauer beleuchten, aber für Baron Samedi sind die „Ghede Loa“ wichtig, denn diese werden mit den Toten und auch dem Leib, der Fleischlichkeit in Verbindung gebracht.
Wie der Fährmann, der über den Styx mit seinem Boot fährt, sind die Ghede für den Transport der toten Seelen verantwortlich. Erkennbar durch die Farbe Schwarz, machen sie obszöne Witze, imitieren Sex beim Tanzen wie Prince im Film PURPLE RAIN und benehmen sich absolut respektlos. Sie zelebrieren das Leben inmitten des Todes. Einer der für sein unverschämtes Verhalten, dem ständigen Fluchen und schmutzigen Witzen berüchtigt ist, ist Baron Samedi. Er ist das Oberhaupt der Ghede Familie der Loa. Zusammen mit seiner Ehefrau Maman Brigitte regiert er über die Ghede Familie.
Die meiste Zeit verbringt Baron Samedi im unsichtbaren Reich der Voodoo Geister, doch oft verschlägt es ihn in der Welt der Lebenden, unserer Welt. Wenn ein Voodoo Anhänger stirbt, dann wurde das Grab vom Baron selbst gegraben. Er begrüßt seine Seele, die er nach der Beerdigung in die Unterwelt führen wird. Denn diese Aufgabe, also das Aufnehmen in die Unterwelt, kann nur Baron Samedi.

Der Baron fällt als Oberhaupt natürlich am meisten mit seiner einzigartigen Präsenz auf. Seine Anhänger beschreiben ihn als einen Mann, der einen schwarzen Frack mit Lila Samt als Innenbezug trägt, dabei stets seinen ikonischen Zylinder aufhat, und Gesicht besitzt, welches dich mit einem Totenkopf angrinst. Sein Klang ist unverkennbar, denn der Baron spricht durchwegs mit einer nasalen Stimme. Auch mit Symbolen wie Särge, schwarze Ziegen, Hähne und Skelette wird Baron Samedi in Verbindung gebracht. Da der Baron ein Genießer ist, raucht er die feinsten Zigarren und nippt ab und zu, an einem Glas mit dem besten Rum. Er wird von vielen als der Engel des Todes beschrieben, welchen jede Religion braucht. Bei genauerer Betrachtung können wir aber feststellen, dass Baron Samedi eine Mischung aus zwei griechischen Göttern zu sein scheint. Thanatos und Hades.
Genau wie Hades, herrscht er über die Unterwelt und sorgt dafür, dass die Toten auch wirklich tot bleiben und wie Thanatos, führt er die Seelen jener verstorbenen ins Jenseits bzw. die Unterwelt. Aber der Unterschied ist, dass er ein Loa bleibt und kein Bondye.

Somit wären wir auch schon bei der Aufgabe von Baron Samedi.
Er hat die Entscheidungsmacht, wer stirbt und wer weiterlebt. Er hat die absolute Macht über Leben und Tod. Zu der wichtigsten Aufgabe zählt, dass er dafür sorgt, dass die Grenze zwischen der Welt der Lebenden und der Toten niemals durchbrochen wird. Wie fragt ihr euch?

Nun, im Voodoo-Glauben gibt es durchaus Zombies und damit diese nicht zurückkommen und die Lebenden und Hinterbliebenen belästigen, sorgt Baron Samedi dafür, dass sie im Totenreich bleiben. Wer den Film SUGAR HILL von 1974 gesehen hat, weiß jetzt, wieso Baron Samedi die Zombies dort steuern kann. Sollte eine Seele als Geist zurückkommen und die Lebenden heimsuchen, wird auch der Baron gerufen, um den Geist zu vertreiben. Wenn jedoch Familienmitglieder mit den Toten in Kontakt treten möchten, müssen sie den Baron um Hilfe und Erlaubnis bitten. Er entscheidet dann, ob der Tote mit den lebenden in Kontakt treten darf oder nicht. Wo finden wir Baron Samedi oder seine Ehefrau auf dem Friedhof? Das am längsten bestehende Männergrab auf einem haitianischen Friedhof wird als das Grab von Baron Samedi bezeichnet. Das Kreuz des Barons „kwa Bawon“ wird auf dem Friedhof an einer Kreuzung aufgestellt, denn es soll den Punkt darstellen, an dem sich die geistige Welt des Jenseits mit der Lebenden kreuzt. Damit man auch weiß, dass es sich um das „kwa Bawon“ handelt, wird ein schwarzer Zylinder aufs Kreuz gesetzt. Das älteste Frauengrab gilt als das Grab seiner Ehefrau Maman Brigitte. Gleichberechtigung spielt eine große Rolle im Voodoo, ganz anders als im katholischen Glauben.

Also kann jeder einfach den Baron Samedi rufen, wann er oder sie möchte, um seine Hilfe zu bekommen? Nein, der Baron macht dies natürlich nicht umsonst. Er verlangt immer ein Opfer, ein Geschenk. Und nein, der Baron will kein Tier und keinen Menschen, die für ihn geschlachtet werden. Er ist kein Monster. Der Baron möchte meistens schwarzen Kaffee, teure Zigarren, Fladenbrot oder einen schönen würzigen Rum. Wie bereits gesagt,
er genießt seine Rolle und seine Aufgabe. Auch wenn Baron Samedi dafür bekannt ist, unverschämt zu sein, so ist er auch für seine Gütig- und Gerechtigkeit bekannt.
Seine Schwachstelle sind Kinder. Kinder sollten erst ein erfülltes Leben führen, bevor sie ihn treffen. Wenn du dein Leben in vollen Zügen genossen hast, erst dann solltest du mit ihm ins Jenseits kommen. Daher ist er auch als Beschützer des Lebens bekannt, denn er besitzt die Kraft Wunden und Krankheiten zu heilen. Dies setzt er aber nur ein, wenn die Person es ihm Wert ist. Ein besonderes Ansehen, hat Baron Samedi vor allem bei Menschen, die mit dem Tod ständig in Berührung kommen. Egal ob Totengräber, Bestattungsbeamte, Leichenbestatter oder Ärzte, für sie ist Baron Samedi ein Schutzpatron.

Bis hier hin war es noch recht leicht, oder? Okay, schrauben wir den Schwierigkeitsgrad ein wenig höher. Keine Sorge, nicht wie bei Marvel mit dem Multiversum, aber es darf komplexer werden. Baron Samedi hat drei verschiedene Inkarnationen und jede dieser Inkarnation spielen eine eigene Rolle. Jedoch und da ist die Geschichte nicht ganz konsequent, werden diese Inkarnationen als eigenständige Wesen, also Persönlichkeiten, dargestellt, die in starker Verbindung mit Baron Samedi stehen. Also fangen wir mit Baron LaCroix an. Er ist ein kultivierter Todesgeist, der philosophische Ansichten über den Tod hat, weil er ihn sowohl lustig als auch absurd findet. Baron Lacroix erinnert die Voodoo-Anhänger ständig daran, die Freuden des Lebens zu genießen, bevor das Leben vorbei ist.

Dann haben Baron Cimitiere, den eleganten, dessen Aufgabe es ist, den Friedhof zu schützen, die Gräber zu schaufeln und die verstorbenen in der Unterwelt, also dem Jenseits, willkommen zu heißen. Baron Cimitiere beweist stets Stil und dies zeigt er auch bei seinen Pferden, welche laut den Erzählungen ebenfalls einen Zylinder und Smoking tragen. Er selbst raucht nur die teuersten Zigarren und trinkt den edelsten Rum,
denn schließlich muss er seinen exklusiven und teuren Lifestyle repräsentieren.

Doch der gefürchtetste der drei Inkarnationen ist Baron Criminel, denn er ist der erste Mörder, welcher zum Tode verurteilt wurde. Wünscht man sich ein schnelles Urteil, beschwören die Menschen Baron Criminel. Doch Obacht, denn die Besessenen, die seine Inkarnation in sich tragen, benehmen sich nicht nur wie Regan in THE EXORCIST,
sondern versuchen auch die Menschen um sich herum, mit einem Messer zu erstechen.

Wie bei jeder Religion versuchten einige Menschen im Laufe der Geschichte die Kontrolle über ihr Volk durch diese zu bekommen. Das machte natürlich auch vor dem Voodoo keinen Halt. Wer dies für sich nutzte, war der ehemalige Präsident von Haiti, Francois Duvalier,
mit dem Spitznamen Papa Doc. 1959 fiel Duvalier ins Koma und erst nach 9 Stunden kam er wieder zu Bewusstsein. Eine lange Zeit, die nicht ohne Folgen blieb. Experten gingen davon aus, dass er einen Hirnschaden davongetragen hat. Sichtbar wurde dies, als er sich für die Reinkarnation von Baron Samedi hielt. Er fing an sich wie jener zu verhalten.
Er kleidete sich wie Baron Samedi, sprach wie Baron Samedi und ließ die Leute glauben, dass er dieser ist. Tja, die Leichtgläubigen fielen darauf hinein und so herrschte er bis zu seinem Tod im Jahr 1971 über das Land.

Hiermit haben wir es, die Erklärung zur Figur Baron Samedi. Wie wichtig er ist, zeigt nicht nur seine Referenz in der Popkultur. Egal ob bei Disney in PRINCESS AND THE FROG die Figur des Dr. Facilier oder Geoffrey Holder als Baron Samedi in James Bond LIVE AND LET DIE von 1973, er ist aus der heutigen Popkultur nicht wegzudenken. Und nein, Papa Legba aus AMERICAN HORROR STORY ist nicht Baron Samedi, sondern eine eigene Figur, über der wir hier in Zukunft auch nochmal sprechen. Allerdings bekommt Hollywood es nicht hin, diese Figuren zu trennen und differenziert darzustellen, weshalb Papa Legba gerade in jener Serie das Aussehen und die Funktion von Baron Samedi hat, was auf ein schlampiges Drehbuch hinweist. Was haben wir heute gelernt? Der Baron mahnt mit seiner unsterblichen Lebenskraft, dass die Menschen ihr Leben in vollen Zügen genießen sollen, bevor sie sterben, denn sie haben nur eins. Eine Botschaft, die ich als Satanist mit ihm teile.
Also, macht immer das Beste aus eurem Leben!

THE VEGAN SATANIST