Das 18. Jahrhundert war eine Kehrtwende was den Glauben und die Macht der Religion betraf. Der Geist der Aufklärung brachte einige mutige junge Männer dazu gegen die vorgeschriebenen moralischen Konventionen. Diese Rebellen trafen sich regelmäßig als Gruppe in Salons und gaben sich ihrem ausschweifenden Lebensstil hin. Die wohl bekannteste dieser Gruppe, war der sogenannte Hellfire Club, welcher von Philip, den ersten Duke of Wharton um 1718 gegründet wurde. Der Club hieß beide Geschlechter willkommen und hatte um die 40 Mitglieder, die sich bei ihren treffen, meistens über das Glaubenssystem lustig machten. So sagt man sich, dass sie mit dem Teufel anstießen und blasphemische Speisen wie „Höllenfeuerpunsch“ und „Heilig-Geist-Kuchen“, eine Kopie einer kirchlichen Hostie, verzerrten. Angeblich verkleideten sie sich als Heilige und veralberten biblische Figuren. Ob dies tatsächlich alles stimmte, ist bis heute nicht geklärt, weil vieles nur vom Hörensagen stammt und natürlich die Geschichten ausgeschmückt wurden.
In der weiten Gesellschaft kamen diese Clubs nicht gut an. Sie schürten Unmoral und stellten den oftmals den Glauben infrage. So erließ König Georg 1. Im Jahr 1721 einen Erlass, der den Hellfire Club und andere Gesellschaften verbot. Doch dies brachte nicht viel, denn in den 1730 Jahren gab es Gerüchte, dass es weiterhin Clubs gibt, die Blasphemie und Orgien betrieben. Diese Clubs durften nie im öffentlichen Stattfinden, weil die Gotteslästerung unter Strafe stand und man sofort der Hexerei oder dem Okkultismus beschuldigt wurde, wenn man teilnahm.
Aber 1735 geschah ein Wunder. Der Witchcraft Act trat in Kraft. Das Gesetz schaffte die Jagd und Hinrichtung von Hexen in Großbritannien ab. 1746 gründete Sir Francis Dashwood seinen eigenen Gentlemans-Club. Dashwood besuchte in den vorherigen Jahren viele verschiedene Priesterseminare auf seiner Reise durch Europa und die religiösen Riten inspirierten ihn, diese mit seinem Club nachzuahmen. Die frühen Mitglieder der Gruppe um Charles Edward trafen sich zum ersten Mal im Mai 1746 in der Lombard Street im Wirtshaus George and Vulture mit maximal 12 Mitglieder, wobei die Zahl in den Jahren immer größer wurden. Ihre Gruppe benannte sich “Order of Friars of St. Francis of Wycombe”, aber später brachte man sie mit den damaligen Hellfire Clubs in Verbindung, da sie sich mit unmoralischen Handlungen beschäftigten, die von der Gesellschaft als inakzeptabel angesehen wurden. Somit wurden sie offiziell zur Reinkarnation des Hellfire Clubs. Von den 12 Mitgliedern sind nur 7 bis heute tatsächlich nachgewiesen. Sir Francis Dashwood, Robert Vansittart, William Hogarth, Thomas Potter, Francis Duffield, Edward Thompson und Paul Whitehead. Es überrascht vielleicht nicht, dass viele der Mitglieder Politiker waren. Gerüchte besagen, dass sogar Benjamin Franklin ein Mitglied war, da er definitiv bei einer Sitzung dabei gewesen ist.
1749 brannte das Wirtshaus George and Vulture nieder und Dashwood ließ einen Tempel im Untergrund seines Hauses am West Wycombe bauen. Nachdem dort die ersten Sitzungen abgehalten wurde, gelang es Sir Francis Dashwood die Abtei der Medmenham im Südosten Englands zu erwerben. Diese ließ er vom Architekten Nicholas Revett Neogotischen Stil renovieren und aufbauen. Dort trafen sich die Mitglieder in der sogenannten Hellfire-Höhle. Um in den Hauptsaal der Feierlichkeit zu gelangen, mussten die Mitglieder durch einen unterirdischen Fluss gehen, dem Styx, welcher nach dem mythologischen griechischen Fluss, der die Welt der Sterblichen vom Hades trennt, benannt wurde. Am Ende erreichte man den Inner Temple, wo auch die Feierlichkeiten stattfanden. Dort drinnen konnten sie neben der Heiligen Dreifaltigkeit explizite Bilder betrachten oder in der Bibliothek in der größten Pornografie Sammlungen des 18. Jahrhunderts und okkulten Büchern blättern. Der Club lebte nach dem Motto: „Fais ce que tu voudras“ (Do whatever you want.). Dieses Motto spielt auf ein Sprichwort des französischen Renaissance-Schriftstellers François Rabelais. Etwa ein Jahrzehnt lang frönten die Mitglieder des Hellfire Clubs zu denen auch Spitzenpolitiker und Dichter gehörten, Ausschweifungen, die ins Profane abglitten. Man erzählte sich, dass die männlichen Mitglieder, die sogenannten „Brüder“, und auch Sir Francis Dashwood, welcher sich als „Abt“ bezeichnete, Orgien mit weiblichen Mitgliedern, den sogenannten „Nonnen“ feierten. Während dieser Exzesse trugen sie auch religiöse Kostüme. Die Mitglieder strebten danach, die Freuden des Lebens zu genießen und ihr persönliches Glück in vollen Zügen zu genießen. Scheinheilige Rituale, wilde Trinkgelage und Festessen sowie Sexpartys gehörten zu den üblichen Aktivitäten des Clubs. Tatsächlich war es aus heutiger Sicht einer der ersten und bekanntesten Swingerclubs. Was den Hellfire Club so besonders machte, war der stetige Nachschub an „Nonnen“, also weiblichen Mitgliedern. Ja, schon zu dieser Zeit spielte der blasphemische „Nonnenfetisch“ eine große Rolle in den sexuellen Gedanken der Männer. Dafür heuerten sie professionelle Sexarbeiterinnen oder begeisterte Amateurinnen an, die sich mit der Oberschicht vergnügen wollten, ohne auf die Anstandsregeln zu achten. Ein späteres Mitglied des Clubs war John Montagu, dem Earl of Sandwich. Richtig gehört, genau jener, dem die Erfindung des Sandwiches zugeschrieben wird. So wird gesagt, dass er beim Spielen häufig gesalzenes Rindfleisch zwischen Brotscheiben von den Bediensteten verlangte und andere Mitglieder dies ebenfalls haben wollten. Also sagten diese zu den Bediensteten „das Gleiche wie Sandwich“. So lautet das Gerücht, dass diese Speise und ihre Bedeutung in den Hellfire Clubs entstanden ist. Der Club war aber nicht nur für seine Sexpartys berühmt, sondern auch für seine Streiche. Sir Francis Dashwood ließ eins einen kleinen Affen während eines Gottesdienstes frei herumlaufen. Die Gemeinde floh vor Entsetzen, da sie glaubten, dass der Satan in ihrer Mitte sei. Doch auch wenn solche Witze lustig klingen, hatte einer dieser Streiche hatte schlimme Folgen. So wurde zum Beispiel ein junges Dienstmädchen namens Sukie versehentlich bei einem dieser Streiche getötet. Noch heute soll sie in den Höhlen spuken.
Wie so oft bei diesen Clubs, bei denen nicht jeder mit teilhaben darf, ging schnell das Gerücht herum, dass dort schwarze Messen und satanische Rituale abgehalten werden. Es ist höchst unwahrscheinlich, dass die Mitglieder satanische schwarze Messen und Taufen durchführten, wie es behauptet wurde, denn sie waren keine Teufelsanbeter, sondern die aristokratische Elite, die ihre Verachtung für die weitreichende etablierte Religion und Moral aufzeigen wollten. Hätte es die Abschaffung der Gesetze bezüglich der Hexerei durch den Witchcraft Act nicht gegeben, wären alle seine Mitglieder wegen Satanismus, Blasphemie und Hexerei höchstwahrscheinlich hingerichtet worden. Lange lebte der Club allerdings nicht.
In den 1760er-Jahren wurde der Klub aufgelöst, da die Mitglieder sich mit ihren Veranstaltungen zu viele Skandale erlaubt haben. Was genau in diesem Club vor sich ging, wird man nie erfahren können, denn drei Tage vor seinem Tod, hat der Sekretär und Verwalter des Hellfire Clubs, Paul Whitehead, alle Aufzeichnungen verbrannt. Was übrig blieb waren die übertriebenen Medienangriffe von politischen Rivalen, die dem Club die satanischen Praktiken zuschoben.
Aber noch heute steht der Hellfire Club für eine wichtige Rolle in der Geschichte der Menschheit. Er transportierte die Vorstellung, dass Okkultismus etwas ist, was mit der Ablehnung konventioneller Sozial- und Sexualmoral zu tun hat. Dies hatte für die kommenden Jahrhunderte einen großen Einfluss auf Figuren wie Aleister Crowley und Anton Zandor Lavey aber auch in der Popkultur. So sorgte die Figur der Emma Peel für die britische TV-Landschaft der 60er Jahre für viel Wirbel, als sie in der Serie THE AVENGERS, in der Folge „A TOUCH OF BRIMSTONE“ die Neugründung des Hellfire Club unterwandert. Der Grund war, dass sie sich in der Folge als „Queen of Sin“ ausgibt und ein Domina-Kostüm trägt. Zwar feiern die Figuren in der Folge keine Orgien, sondern planen Anschläge, aber ihr Outfit reichte schon, um dieses Statement der Sexpartys zu unterstreichen. Marvel Comics griff das Konzept der THE AVENGERS Folge auf und führte in den 1980er Jahren den Hellfire Club bei den THE UNCANNY X-MEN ein. Der Club besteht aus ultrareichen Industriellen, die auch Mutanten sind. Jean Greys Variante der Black Queen basiert auf Emma Peels TV Outfit.
Da der Hellfire Club ein bekannter Sex Club war für kuriose Orgien, verwundert es nicht, dass der bekannteste BDSM-Club in New York sich Hellfire Club nannte. Dieser BDSM-Nachtclub im Meatpacking District von New York City hatte seine Tore 20 Jahre lang von 1982 bis 2002 geöffnet. Es war die wahre Reinkarnation in unserer modernen Zeit. John Waters verbreitet damals sogar das Gerücht, dass er im Hellfire Club die Schauspielerin Angela Lansbury (Murder she wrote) getroffen hätte. Sie war aber nicht sexuell aktiv laut ihm, sondern hing dort nur herum. Ähnlich wie es auch der MANIAC Hauptdarsteller Joe Spinell ein Dauergast war. Die jüngste Erwähnung des Hellfire Clubs geschah dann bei STRANGER THINGS, als sich der Dungeons & Dragons Club der Schüler so benannte, was zum einen ein lustiges Easter Egg ist und zum anderen aber auch auf die Satanic Panic der 1980er hinweisen sollte, wozu auch das Spiel Dungeons & Dragons gezählt wurde.
Lasst euch also eure Vorlieben nicht verbieten. Egal ob kinky, queer oder einfach wild, ein hedonistisches Leben hat nichts mit Teufelsanbetung zu tun. In diesem Sinne:“Fais ce que tu voudras“.
THE VEGAN SATANIST